Pfingsthochwasser 2024: Wir sagen DANKE
Das Pfingsthochwasser 2024 liegt nun fast zwei Wochen zurück. Von wieder eingetretener Normalität ist jedoch noch nicht zu sprechen. Noch immer sind wir schockiert von dem, was sich in unserer Ortsmitte und in unserer Stadt ereignet hat.
Am Mittag des 17. Mai wurden wir gegen 12:10 Uhr als Teileinheit des Löschzugs „Flächenlage Unwetter Ost“ des Landkreises Neunkirchen in die Gemeinde Illingen alarmiert, wo sich die Lage zu diesem Zeitpunkt bereits dramatisch zugespitzt hatte. Gemeinsam mit dem Katastrophenschutzlagezentrum des Landkreis Neunkirchen und der Wehrführung der Feuerwehr Neunkirchen haben wir jedoch entschieden, unsere Einsatzkräfte nicht nach Illingen zu entsenden, da zu diesem Zeitpunkt bereits ein nahendes Eingreifen in unserem Ort absehbar schien. Das sich diese Entscheidung als die einzig richtige herausstellen sollte, hatte zu diesem Zeitpunkt noch niemand geahnt. Statt unserem Löschbezirk machten sich Teile unserer Kameraden aus Münchwies auf den Weg nach Illingen und leisteten wertvolle Unterstützung.
Gegen 15:20 Uhr erfolgte in Hangard die erste Alarmierung zu einem Wohnanwesen in der Straße „An der Ziegelhütte“. Die Regenmassen ließen einen kleinen Bachlauf zu einem reißenden Strom werden, das angrenzende Wohnhaus drohte von den Wassermassen überflutet zu werden. Als wir kurz später mit unserem Hilfeleistungslöschfahrzeug über die Osterbrücke fuhren, sah im Flussbett der Oster noch alles normal und mit den Erfahrungen der vergangenen Hochwasserlagen „unkritisch“ aus. An dem Wohnanwesen stapelten wir Sandsäcke und verhinderten mit Tauchpumpen eine weitere Überflutung. Augenblicke später stellten wir bei der weiteren Lageerkundung entlang der Oster jedoch schnell fest, dass sich das Wasser auf der anderen Straßenseite immer näher und immer schneller einem landwirtschaftlichen Anwesen und den angrenzenden Häusern näherte. Umgehend wurden weitere Sandsäcke und die Unterstützung unserer Kollegen aus Münchwies angefordert, um die Wohnhäuser schützen zu können. Momente später erreichten uns Notrufe aus der Lindenstraße, wo die Oster plötzlich aus ihrem Flussbett trat und die Straße sowie die angrenzenden Häuser überflutete. Aus Neunkirchen und Wiebelskirchen machten sich umgehend weitere Einsatzkräfte zur Unterstützung auf den Weg, rund 1.000 Sandsäcke wurden in die Ortslage Hangard verlagert. In kürzester Zeit wurden weite Teile der Lindenstraße, der Peterstraße und der Straße „Im Schachen“ ein Raub des Wassers. Weitere Keller und Häuser in der Wiebelskircher Straße, der Straße „An der Ziegelhütte“ und der Straße „An der Oster“ wurden überflutet. Das Gedenkschild am Pegel der Oster, welches an den höchsten jemals gemessenen Wasserstand während des Jahrhunderthochwassers im Dezember 1993 erinnert, wurde vom trüben Wasser verschlungen, ehe es nicht mehr zu sehen war. Am Scheitelpunkt der Flut sollte der Pegel der Oster eine Rekordmarke von über 3,20 Metern erreichen. Einen solch rasanten Anstieg innerhalb der wenigen Minuten hätte niemand jemals für möglich gehalten.
Für uns galt es zu jeder Zeit schnell zu handeln, bedeutende Sachwerte sowie Tier- und Menschenleben zu schützen und in Sicherheit zu bringen. Gemeinsam mit unseren Feuerwehrkameraden aus Neunkirchen, Münchwies und Wiebelskirchen leisteten wir hierzu in den Minuten und Stunden nach der Überflutung alles Menschen möglichste. Bürgerinnen und Bürger aus nahezu dem gesamten Ort eilten selbstlos zur Hilfe herbei, packten tatkräftig mit an, unterstützten zuvor fremde Leute bei der Sicherung ihres Hab und Guts, verteilten und füllten Sandsäcke und leisteten unvorstellbares. Diejenigen, denen es selbst nicht mehr möglich war ihr Eigentum zu retten, verließen ihre Häuser und unterstützten andere Menschen im Ort. Wiederrum andere brachten Verpflegung und Decken, trösteten und ermutigten. Eine solche Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft hätten wir nie für möglich gehalten. Eine solche Überflutung und eine solch schnelle Zunahme des Wasserstandes haben wir in der über einhundertjährigen Geschichte unserer Feuerwehr noch nie erlebt.
Die ganze Nacht verblieben wir in Einsatzbereitschaft, um im Bedarfsfall schnell wieder zur Stelle zu sein und aufgrund der Abschaltung der Stromversorgung als direkte Anlaufstelle zu dienen. Gegen 6 Uhr verlagerten wir ein Einsatzfahrzeug in die Stadtmitte von Neunkirchen, um über mehrere Stunden hinweg bei der Evakuierung eines Seniorenheimes zu unterstützen. Nicht nur Hangard, sondern auch Wiebelskirchen, Neunkirchen und Wellesweiler waren mittlerweile von den Fluten betroffen.
Erst am Morgen des 18. Mai wurde das ganze Ausmaß der Flut allmählich sichtbar. Unsere Prioritäten lagen nach dem Rückgang der Wassermassen schnell dabei, Keller und Wohnbereiche wieder vom Wasser zu befreien, damit die Infrastruktur und die Stromversorgung schnell wieder hergestellt werden konnte. Erneut war eine unvorstellbare Menge an freiwilligen Helfern vor Ort. Mit Schmutzwasserpumpen und Aggregaten ausgestattet packten sie tatkräftig mit an. Andere halfen beim Ausräumen von Gegenständen, andere brachten erneut Verpflegung. Mit Gaskochern wurde am Straßenrand Spaghetti mit Hackfleischsauce zubereitet. Dies alles leistete einen entscheiden Beitrag dazu, dass wir die Einsatzmaßnahmen in unserem Ort bereits am Nachmittag weitestgehend beenden konnten. An dieser Stelle seien auch unsere Feuerwehrkameraden aus Spiesen-Elversberg nicht zu vergessen, die uns bei der Bewältigung der zahlreichen Einsatzstellen unterstützten. Während wir im Anschluss mit unseren Einsatzkräften in Wiebelskirchen und Neunkirchen weiter unterstützten, ging für die Bevölkerung in Hangard das Aufräumen erst los. Als wir am Abend nach Hangard zurückkehrten, standen die Bürgersteige entlang der Straßen voll Sperrmüll. Eine große Menge Menschen war vor Ort und unterstützte sich gegenseitig. Das Ausmaß dieses Hochwassers und die unvorstellbare Solidarität in der Bevölkerung zu erleben hat viele von uns beim Durchfahren der Straßen zu unserem Feuerwehrgerätehaus tief gerührt.
Auch am Sonntagmittag unterstützen wir wieder Menschen in Wiebelskirchen und Neunkirchen. Auch hier hatte bereits das Aufräumen begonnen. Auch hier half man sich gegenseitig. Auch hier waren unzählige private Menschen zur Stelle und im Einsatz. Auch hier hat und die Solidarität und Hilfsbereitschaft tief beeindruckt.
Am Ende der Hochwasserlage sollten es für den Löschbezirk Hangard 156 bearbeitete Einsatzstellen sein. Darunter Schicksale und Geschichten, die auch uns nahe gingen. Auch Tage später steckte uns die geleistete Arbeit noch immer in den Knochen. Jeder von uns ist jedoch froh, in welcher Form auch immer einen Beitrag zur Bewältigung dieses Ereignisses geleistet zu haben. Ein Ereignis, das in diesem Ausmaß niemand für möglich gehalten hätte. Ein Ereignis, von dem wir alle hoffen, dass es nie wieder eintritt.
Wir möchten an dieser Stelle noch einmal von Herzen DANKE sagen. Danke allen Bürgerinnen und Bürgern, allen Helferinnen und Helfern, allen Unterstützerinnen und Unterstützern. Danke dafür, dass ihr egal an welchem Ort oder in welcher Straße wir im Einsatz waren, ihr uns stets mit Getränken, Essen und Snacks versorgt habt. Danke für eure Hilfsbereitschaft, euer Engagement und eure Solidarität. Danke für eure Unterstützung, euer Anpacken und eure Hilfe. Ohne euch wären wir nie so schnell vorangekommen, ohne euch wäre das Ausmaß dieser Flut wesentlich schlimmer gewesen. Unser Dank richtet sich auch an unsere Feuerwehrkameraden, unter anderem aus den Löschbezirken der Stadt Neunkirchen, der Gemeinden Spiesen-Elversberg, Merchweiler, Illingen, Schiffweiler und Eppelborn, die uns in Hangard bei der Bewältigung unserer Aufgaben unterstützt haben. Danke dem Deutschen Roten Kreuz für die schnelle und umfangreiche Verpflegung, die ständig ohne Nachfragen nachgeliefert wurde. Danke an das Technische Hilfswerk, welches mit Fachgruppen aus nahezu dem gesamten Bundesgebiet unterstützte. Die Hilfsorganisationen, egal welche Farbe sie trugen, welche Aufgaben sie hatten oder woher sie kamen standen in diesen Tagen enger zusammen als je zuvor. Wir alle sind und bleiben eine Blaulichtfamilie. Und danke allen, die wir hier sehr wahrscheinlich vergessen haben namentlich zu nennen, obwohl sie eine Nennung mehr als verdient hätten.
Hangard und die Stadtteile Neunkirchens wurden Orte der Katastrophe. Hangard und die Stadtteile Neunkirchens wurden aber auch Orte der Solidarität, Hilfsbereitschaft und der gelebten Mitmenschlichkeit. Alle, egal wann, wo oder wie sie in diesen Tagen unterstützt haben, sind Helden. Euren Einsatz werden wir, die Bevölkerung dieses Ortes und dieser Stadt nie vergessen.